Ja, es gibt sie noch: Magazine, die ausschließlich aus bedrucktem Papier bestehen – in Freiburg zum Beispiel das 14magazin, dessen fünfte Ausgabe gerade erschienen ist. Die Chefredakteure Elisabeth Kimmerle und René Freudenthal wurden von Fudder und derBadischen Zeitung gefragt, was an Druckerzeugnissen so toll ist und warum es das 14magazin nur offline gibt […]
Als Chefredakteure eines Print-Magazins: Über welche Medien informiert ihr euch?
Elisabeth Kimmerle: Ich bin nicht wirklich eine Online-Leserin. In den letzten Monaten etwas mehr, aber davor hatte ich lange eine Tageszeitung abonniert.
René Freudenthal: Ich bin ein ziemlich obsessiver Online-Leser, finde es aber auch ganz gut, dass langsam Bezahlschranken kommen und man nicht mehr gratis auf alles zugreifen kann. Nicht nur, weil ich hoffe, dass Journalisten in Zukunft wieder bezahlt werden, sondern auch, weil man sich irgendwann für ein bis zwei Medien entscheiden müsste, die einen wirklich interessieren. Im Printbereich lese ich vor allem US-amerikanische Magazine. Ich bin Fan des New Yorker, mag den Atlantic gerne und habe ganz oldschool Harper’s abonniert, das mittlerweile seit über 150 Jahren erscheint.
Was können die US-amerikanischen Magazine, was die deutschen nicht können?
René: Ich glaube, sie denken in größeren Zeiträumen, sodass ihre Texte zeitloser sind. Die deutschen Magazine hetzen sich oft ab zwischen Tages-, Wochen- und Sonntagszeitung. Sie sind nicht so nachhaltig. Einen Focus oder Stern würde ich mir nicht lange aufbewahren wollen. Beim New Yorker ist das zum Beispiel ganz anders. Den sammeln seine Leser und stellen ihn sich kultisch ins Regal.
Welchen Stellenwert hat Nachhaltigkeit für das 14magazin?
Elisabeth: Das wird schon dadurch bedingt, dass wir so selten rauskommen und ziemlich lange verkaufen. Wir müssen uns überlegen, wie lange ein Thema überhaupt aktuell ist und ob es nicht wieder überholt ist, wenn wir erscheinen. Das 14magazin soll etwas sein, das länger vorhält.
Müssen Printmedien das in einer zunehmenden Online-Lesekultur leisten? Aufwändiger, spezieller sein, auch in der Textgestaltung und im Layout?
René: Auf jeden Fall. Wenn unser Magazin rauskommt, ist es für uns als Redaktion ein bisschen wie ein Artefakt. Dazu gehört auch der Status, den das Cover-Foto einnimmt. Das Cover-Foto ist unser Aushängeschild schlechthin. Auch dadurch sehen wir, welchen Einfluss das Visuelle hat. Die Texte können noch so toll geschrieben sein, wenn das Magazin nicht entsprechend grafisch umgesetzt ist, will es wahrscheinlich bis auf eine Kernleserschaft niemand zur Hand nehmen.
In US-amerikanischen Magazinen schlagen Autoren wie John Jeremiah Sullivan mit teilweise 50-seitigen Reportagen die Brücke zum Literarischen. Warum gibt es in Deutschland keine Magazine, die so etwas veröffentlichen?
René: Vielleicht wegen des geistigen Klimas. In Deutschland hängt die Magazinkultur noch etwas den 60ern hinterher. Alles, was da ist – Stern, Spiegel –, gibt es ja schon seit damals, und jeder hat das Gefühl, die große Zeit ist eigentlich vorbei. Wenn man in Deutschland etwas Vergleichbares aus dem Boden stampft, ist es entweder unfreiwillig peinlich – wie etwa die deutsche Ausgabe der Vanity Fair, die sie mal versucht haben, hier aufzuziehen. Oder es ist dann so ganz selbstbeschäftigtes Hipster-Zeug, das außer Leuten in Berlin-Prenzlauer Berg niemand wirklich ernst nimmt.
Seht ihr euch nicht als Hipster-Magazin?
René: Gar nicht. Absolut nicht. Wir werden zwar regelmäßig „Hipster-Blatt“ genannt, sind aber in keiner Weise eine Hipster-Redaktion.
Das 14magazin ist auch im Internet präsent, ihr teasert die Artikel dort aber nur an. Warum habt ihr euch dagegen entschieden, eure Texte auch online verfügbar zu machen?
Elisabeth: Wir verkaufen das Heft über fast ein dreiviertel Jahr, und viele Leute können sich heute nur noch schwer entscheiden, 1,50 Euro für ein Magazin auszugeben. Würde man die Artikel online stellen, dann wäre der Verkauf obsolet und wir könnten uns gleich aufs Internet beschränken. Ich finde es außerdem interessant, am Ende ein Produkt zu haben, das wirklich handgemacht ist – fast Manufaktur. Dieses Magazin liegt dann in WG-Küchen herum, man kann es irgendwann wieder hervorkramen und darin lesen. Natürlich haben sich dann Dinge verändert, aber es sind immer noch lesbare Texte. Es hat seinen Reiz im Analogen.
Wäre eine Version für das iPad eine Alternative? Da kann man ja auch sehr hochwertig arbeiten, gerade was Fotos angeht.
René: Wir hatten das Thema mal im Witz angesprochen, als wir die Druckfreigabe für unsere Druckerei absegnen mussten. Die sieht auf einem guten Bildschirm tatsächlich aus wie eine iPad-Version des 14magazins. Ich glaube, es ist trotzdem nicht dasselbe, und wir würden auch auf viele unserer Kernprinzipien verzichten.
Die Rückkehr zum Analogen gibt es schon eine Weile. Leute kaufen sich wieder Schallplatten, fangen wieder an, analog zu fotografieren. In welchen Lebensbereichen spielt dieser Aspekt für euch noch eine Rolle?
Elisabeth: Ich bin ziemlich analog. Ich habe kein iPhone und überhaupt nichts in diese Richtung, aber tatsächlich einen Plattenspieler und eine Schreibmaschine. Sie war ein Geschenk und ist von Tippa, aus dem Jahr 1956. Als Jugendliche habe ich sechs, sieben Jahre lang nur auf der Schreibmaschine geschrieben, damals noch eine Olympia. Ich habe mir irgendwie eingebildet, das würde meine Kreativität fördern. Ich besitze auch keine digitale Kamera, sondern nur eine analoge. Bei mir ist das aber weniger eine bewusste Verweigerungshaltung – ich denke einfach, es nicht zu brauchen.
René: Ich habe auch eine Schreibmaschine, habe sie mir aber zu einer Zeit gekauft, als das Ganze schon ein bisschen abgeschmackt war. Ich fand das ganz nett und habe sie auch nicht als Ausstellungsobjekt in meiner Wohnung stehen, aber ich habe dann später gemerkt, dass das eigentlich schon wieder nicht mehr geht.
Inwieweit nehmt ihr bei 14magazin Einfluss auf sinnliche Eigenschaften wie die Beschaffenheit des Papiers oder den Geruch der Druckfarbe?
René: Direkten Einfluss haben wir darauf nicht, weil wir keine eigene Druckerpresse betreiben können und von der industriellen Produktion abhängig sind. Wir könnten höchstens noch andere Papiersorten anfordern …
Immer mehr Menschen lesen ihre Bücher auf dem Kindle und die Tageszeitung auf dem iPad oder im Internet. Wie schätzt ihr die Zukunft der Printmedien ein?
René: Da ist jetzt eine große Hysterie ausgebrochen. Die Medien überschlagen sich aus Selbstbeschäftigung und Zukunftsangst mit Prophezeiungen, wie es weitergehen wird. Ich denke, die Zeiten ändern sich meistens nicht so schnell, wie sich das anfühlt. Nur weil es ein neues iPhone gibt, heißt das noch lange nicht, dass ein neues Zeitalter angebrochen ist. Die Renaissance der Handarbeit ist natürlich ein Hipster-Phänomen, aber es gibt, glaube ich, mehr Leute, als man denkt, die sich nicht vorstellen können, gar kein Bücherregal mehr im Wohnzimmer stehen zu haben – auch wenn viele Menschen E-Books als praktisch empfinden.
Elisabeth: Das hat auch etwas damit zu tun, ob man bibliophil ist oder nicht. Es geht nicht darum, ob ein Buch praktisch ist. Ich kaufe mir ein Buch, weil da alles mit dabei ist. Der Umschlag und wie es riecht. Ich trage es gerne mit mir rum, auch wenn es schwer ist, und schlage es auf einer Parkbank auf, oder wo auch immer. Bei E-Books geht da sehr viel verloren.
Wie viel Zeit fließt in eine Ausgabe des 14magazin?
Elisabeth: In den letzten drei Monaten war es ungefähr so viel wie eine halbe Stelle.
René: Aufs Jahr hochgerechnet wären wir wahrscheinlich jeden Tag zwei Stunden damit beschäftigt. Der Kraftaufwand ist enorm. Zum Schluss haben unser Chefgrafiker und wir teilweise 15-Stunden-Tage miteinander verbracht. Jetzt, wo das Heft erschienen ist, geht es so langsam wieder an die Themensuche, aber die letzten drei Monate vor Veröffentlichung sind echt hart. Für zwei Leute, die das in der Theorie nur als Hobby betreiben, ist das eine Herkulesaufgabe.
Warum verlangt ihr für ein so hochwertiges Produkt eigentlich nur 1,50 Euro?
Elisabeth: Die erste Ausgabe hat noch einen Euro gekostet. Wir könnten mehr dafür verlangen, aber wir bekommen jetzt nach vier Jahren tatsächlich noch zu hören, dass wir teurer geworden sind. Es hat auch damit zu tun, dass es machbar ist, das Magazin für 1,50 Euro rauszubringen und wir uns finanzieren können. Wir kommen auf null raus oder haben geringfügige Gewinne, die dann direkt in die nächste Ausgabe fließen, in Sticker oder in eine Release-Party. Unser Ziel ist es nicht, Gewinn zu machen, sondern ein Magazin herauszubringen, das bezahlbar ist. […]