Wenn sie denn im Tiefschlaf verbracht wird, ist die Nacht eine Unschuldslandschaft. Vielleicht tobt sich, träumend, in abseitigen Regionen des Hirns allerlei Unverarbeitetes aus, auch wenig lämmchenhaftes: Dr. Freud hatte schon durchschaut, welch geheimnisvolle Triebe uns Tag um Tag, endlich, doch zurück ins Himmelsdunkel zogen. Aber diese absolut bestirnten Nächte, jene Schweigezonen früherer Epochen? Das ist vorbei.
Heute schlafen wir mit dem iPhone auf dem Laken ein, das WLAN umzittert uns ruhelos wie ein nervöser Liebhaber, und die Medien warnen, das permanente Blaulicht unserer Bildschirme müsse uns ja den Schlaf rauben – so spricht die Neurologie zur Mitternacht. Ständig leuchten wir die Finsternis hell aus: auf den Straßen, in den Zimmern, in unseren Köpfen. Nur wenig Platz ist in unserer nachtaktiven, dauervernetzten Gegenwart noch für die mysteriöse Stille, die charmanten Schwellenzustände, die seltsame Nahbarkeit des Raums im Dunklen. Wir verlernen, diese spezielle Unwirklichkeit nach der Dämmerung wahrzunehmen, sinnlich zu durchtauchen. Die Nacht aber ist als Schauplatz des Seelischen gedacht, ihre schattige Zeitlosigkeit soll uns an die intime Musikalität unserer Existenz erinnern, die der grelle Alltag meist ja überdröhnt.
Deswegen haben wir die Handys ausgestellt und uns in die Untiefen nächtlichen Lebens gewagt.