Freiburger Abendgebete
zum internationalen Frauentag

Fürbitten mit Fußnoten

 

 

Das Gegenteil von Populismus ist Regen. Und fehlende Eloquenz. Ich möchte mich bedanken im Namen meiner Politik, mein Ton große Geste, und mich bei der Gelegenheit auch gleich entschuldigen: es fällt mir so schwer, die angestimmten Parolen unvoreingenommen mitzuskandieren, nur weil sich Staat mit etwas gutem Willen auf ‚Patriarchat’ reimt. (Und was hat Gott damit zu tun.) Noch was also, was aus diesem 8. Mai keinen Blockbuster macht: meine Eitelkeit.

Wir würden ja Clara[1] fragen, wie das geht das – Verweigerung und Revolution – , von der Arbeitsniederlegung in einer amerikanischen Näherei bis hier und jetzt. Nur ist Clara, der man die Pupille wie gewohnt zu einem Schielen ins Auge getupft hat und das nicht etwa, um ihre nachwirkende Durchsetzungsfähigkeit zu unterminieren, schon lange gestorben und zugegeben auch ihre Rhetorik ein bisschen krampfig.

Dann lieber doch Luft anhalten und eintauchen in die zweite Welle, es unweigerlich irgendwo trostlos finden, dass die Abkürzung BRD nicht den abgewetzten Sitzen Bonner U-Bahnen vorbehalten ist. Vielleicht ein paar Flusen aus der Nase schnauben:  Der Herbst ist vorbei, Baby. Nur klebt seine Sprechweise wie nasses Laub an den Schuhsohlen. Die wiegelt von da unten nichts mehr auf, ist aber auch lästig, das Matschkonglomerat da abzustreifen.

Aber wie geht das, zeitgenössische Diskurse, wo Feminismus ist wie Yoga, der Gedanke ja ganz nett aber dann eben doch so kapitalistisch in der Logik. Ein sich um die Wette strecken und schlecken. (Auch, weil sich schlecken auf strecken reimt.) Ist es heute vielmehr so, dass die Solidarität, Schwestern! jetzt die Bitches sind – das heißt durchaus mit Money zu beeindrucken? Und die gehen dann in megaweichen Schlafanzügen[3] demonstrieren und essen dabei Eis. Wenn es arg kommt, kann ich mein Eis immer noch jemandem genüsslich ins Gesicht schmieren. Weil, das ist doch klar: Ich möchte in einer Welt leben, in der das subversive Potential von Mean Girls[4] als solches anerkannt ergo redundant wird.

Heute ist die Rhetorik kämpferisch. Trotzdem das Rathaus jetzt nicht unbedingt der Schauplatz ist, an dem ich Polizeigewalt fürchte. Sollte sich wer des Megafons bemächtigen und fragen, ob das eine Strategie aus dem Handbuch ist, fehlenden Enthusiasmus einfach mal als solchen zu benennen, damit auch alle recht unwirsch dreinblicken? Nicht, dass es dazu keinen Anlass gäbe! Nur fängt Gewalt in der Lebenswirklichkeit vieler eben nicht erst bei Vergewaltigung an, sie hängt irgendwo in den täglichen Strukturen – und ja, auch die Strukturen, in denen sexuelle Übergriffe juristisch als ‚Beleidigung’ durchgehen, frag Margarete![4] Aber tausendmal mehr diejenigen, in denen ich mich immer wieder anbiedere, die das große Plural SIE wiederum glauben machen, ich würde mich nicht wehren. Ich will nicht aufhören mich zu entschuldigen. Ich will, dass alle anderen sich genauso viel und noch mehr entschuldigen, wenn ihnen danach ist.

Ich will einstehen für Identity Politics und sichere Räume, für die ich mich nicht um Kopf und Kragen reden (wen ich (partikularer Pups) jetzt mit einbeziehen muss oder auch mal auslassen darf) und mich dauernd streberhaft zum Asterisken-Schluckauf bekennen muss. Weil es passiert, dass ich auf Leute zeige und das Diversität nenne: Ich will dieses Auswahlfeld leer lassen, für eine Weile und auch, um der Datenerhebung ein Schnippchen zu schlagen. Ich will, dass Repräsentation aufhören kann in zwei Millionen Jahren, wenn das Universum sich kringelt oder so ähnlich. Und ja, die Welt wäre eine bessere, wenn sich Freud für den Anfang anstelle des Ödipus zum Beispiel der Antigone angenommen hätte und wir öffentlich, rechtlich, selbstverständlich jeder* Schluckauf*in die Qual der eigenen Wahlverwandtschaften zugestehen, frag Judith![5]

Und auf der anderen Seite, vielleicht hier weniger zahlreich, stehen die die Money-Bitches, die ihrer Führungsqualität das Attribut weiblich anpinnen: Ich kann sie nicht mehr ertragen, die heulende Emma Watson vor der UN. Der große Ernst der weißen Frau, immer so entrüstet und sentimental, der die 90er jetzt auch nach Indien bringt und den Girls der Nicht-ganz-so-ersten-Welt beibringt, sich in Paillettenleggings in die Freiheit zu tanzen. Die Gewürze werden jetzt einfach mal zurückgehandelt, die Seidenstraße rückwärts aufgerollt.

 

 

Und irgendwo dazwischen ist die Utopie, ich will sie Futopie nennen, denn sie wird die Utopien männlicher Literaturen foppen: Ich will sehen, wie Beyoncé Modest-Fashion entwirft, wie Angela Merkel sich verbal zu ihrer Vulva bekennt – Raute von wegen. Und dann will ich diese Geste in Horden durch die Straßen paradieren sehen, wo sie sich altklugen Viertklässler*innen mit Schokoladen-Kriegsbemalung anschließt. Gemeinsam hebt dieser Verbund zu einem ohrenbetäubenden Blockflötenchor an.

Ich will: Mehr Belanglosigkeit! auf ein Banner schreiben, das dazu verwendete Menstruationsblut müsste nicht mal echt sein und trotzdem wäre ich leichter zu überzeugen, mich für dieses Statement dem nassen Asphalt zuzuwenden und in die ersten Reihen vorzupreschen, wozu die Versammelten hier irgendwie keinen Bock haben trotz megafonenen Aufrufen. Man könnte den rosa Regenschirm und das Kompliment an die herrschende Klasse, bzw. die nicht funktionierende Technik dann daheim lassen. Die kämpferische Heiterkeit des Schrottkisten-über-die-Ka-Jo-Fahrens würde man einwecken und sie in Gläsern voll Gleichgültigkeit auf dem Küchenregal platzieren, vom Staub umsorgen lassen. Da wäre die breite Identifikation in zeitgenössischer Ästhetik (Homemade und handgeschrieben) zwischengelagert für kommende Generationen von Latzhosenträger*innen, von denen ich am 8. März doch so sehr gerne eine gewesen wäre.

Text: Vera Mader | Fotografie: Elise Graf

[1] Clara Zetkin (duh) – die sich den 8. März ausgedacht hat.
[2] (No, we never stop trying to make fetch happen. )
[3] Schnipo Schranke (2017): Rare, Buback Tonträger.
[4] Margarete Stokowski (2016): Untenrum frei, Rowohlt.
[5] Judith Butler (2001): Antigones Verlangen: Verwandtschaft zwischen Leben und Tod, Suhrkamp.